Die Erfindung des "Schreibapparates" // The invention of the "writing apparatus"

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Ein Erfinderschicksal.

Vor 150 Jahren wurde von Peter Mitterhofer der erste Brief auf einer Maschine geschrieben. Der Zimmermann aus Partschins (heute Südtirol), der in den 1860er Jahren mehrere technische Schreibgeräte konstruierte und fertigte, gilt als Erfinder der Schreibmaschine.

An Inventor's Fate

Peter Mitterhofer, a carpenter who was born in Partschins (today South Tyrol), is known as the inventor of the typewriter. 150 years ago he wrote the first letter on one of his machines, which he had designed and manufactured in the 1860s.

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Brief von P. Mitterhofer, 1869 / Letter from P. Mitterhofer, 1869 (Quelle/Source)

Ähnlich wie Josef Madersperger (Nähmaschine) oder Josef Ressel (Schiffschraube) blieb Mitterhofer zu Lebzeiten die Anerkennung für seine innovativen Erfindungen verwehrt. Auf seinem Grabstein steht geschrieben: "Die Andern, die von ihm lernten, Durften die Früchte seines Talentes ernten."

Similar to Josef Madersperger (sewing machine) or Josef Ressel (marine screw propeller), Peter Mitterhofer was denied recognition for his innovative inventions during his lifetime. On his gravestone it is written: "The others who learned from him were allowed to reap the fruits of his talent".

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Peter Mitterhofer (Quelle /Source)

Peter Mitterhofer (1822-1893) lernte bei seinem Vater das Handwerk des Tischlers und Zimmermanns. Mit selbst gebauten Instrumenten zog er als Musiker und Bauchredner durch die Dorfgaststätten. Er galt als Querdenker und geriet des Öfteren mit den örtlichen Autoritäten wie Bürgermeister, Pfarrer oder Dorfpolizist in Konflikt. Wie es zur damaligen Zeit für Gesellen üblich war, ging er auf Wanderschaft. Seine dreijährige "Walz" führte ihn durch mehrere Länder der Donaumonarchie und auf den Balkan.

Peter Mitterhofer (1822-1893) learned the carpentry trade from his father. As a musician and ventriloquist he entertained the audience in the village taverns with instruments he had built himself. He was regarded as a lateral thinker and often came into conflict with local authorities such as the mayor, priest or village policeman. As was usual for journeymen at that time, he went on the wander. His three-year 'Walz' led him through several countries of the Danube Monarchy and to the Balkans.

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Peter Mitterhofer: Schreibmaschine / Typewriter, 1864 (TMW)

Wieder zurückgekehrt in sein Heimatdorf begann er mit der Entwicklung einer mechanischen Schreibhilfe. Der Prototyp seiner ersten Schreibmaschine aus dem Jahr 1864 ist heute im Technischen Museum Wien (TMW) ausgestellt. Das "Wiener Modell" ist mit 30 Tasten für Großbuchstaben ausgestattet und nahezu vollständig aus Holz gefertigt. Mitterhofer baute sein erstes Modell mit den einfachsten Werkzeugen ohne technische Hilfsmittel.

Back in his home village, he began to develop a mechanical writing aid. The prototype of his first typewriter, dating from 1864, is now on display in the Technischen Museum Wien (TMW). The so-called 'Wiener Modell' is equipped with 30 keys for capital letters and is almost completely made of wood. Mitterhofer built his first model with the simplest tools without technical aids.

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Nach dem Prototyp entwickelte Mitterhofer das "Dresdner Modell", das heute im Besitz der Technischen Sammlungen der Stadt Dresden ist. In seiner Konstruktionsweise gleichen die Modelle einander, allerdings wurde für den Typenkorb und die Typen der zweiten Maschine bereits Metall verwendet. Den Praxistest bestanden beide Maschinen nicht, da das in einen Rahmen eingespannte Papier beim Anschlag durch die Typen, die aus abgebrochenen Nadeln bestanden, perforiert wurde.

After the prototype, Mitterhofer developed the 'Dresdner Modell', which is now owned by the Technical Collections of the City of Dresden. The models are similar in construction, but metal was already used for the type basket and the types of the second machine. Both machines did not pass the practical test because the paper clamped in a frame was perforated by the types, consisting of broken needles.

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Peter Mitterhofer: Modell Wien 1864 (TMW)

Im Spätherbst des Jahres 1866 brach Mitterhofer zu einem über 600 Kilometer langen Fußmarsch aus dem heutigen Südtirol in die Kaiserstadt Wien auf. In einer zu einer "Buckelkraxe" (Rückentrage) umgebauten Schubkarre trug er seine neuste Erfindung: einen 15 kg schweren "Schreibapparat" mit Volltastatur, Papierwalze, einem Typenhebelkorb sowie einer Zwischenraumtaste. Nachdem ihm eine Audienz bei Kaiser Franz Joseph I. verwehrt blieb, bat er in einem schriftlichen Gesuch, in dem er die Vorteile seiner Maschine anpries, um finanzielle Unterstützung. Nach einer Begutachtung durch Beamte des Polytechnischen Institutes wurde ihm eine Subvention von 200 Gulden bewilligt. Von einer praktischen Verwendbarkeit der Erfindung war man allerdings nicht überzeugt. Bis heute ist der Verbleib dieses Modells ungeklärt.

In the late autumn of 1866, Mitterhofer set out on an over 600 kilometer march on foot from South Tyrol to the imperial city of Vienna. He carried his latest invention in a wheelbarrow that he had converted into a back stretcher: a 15 kg "writing apparatus" with a full keyboard, paper roller, a type lever basket as well as an interspace button. After he was denied an audience with Emperor Franz Joseph I, he asked for financial support in a written request, in which he praised the advantages of his machine. After an expert opinion by officials of the Polytechnic Institute, he was granted a gift of 200 guilders. However, one was not convinced that the invention could be used in practice. To this day, the whereabouts of this model remain unclear.

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Peter Mitterhofer: Modell Wien 1864 (TMW)
Peter Mitterhofer gab nicht auf. Er entwickelte zwei weitere Modelle, zunächst das in Metall ausgeführte "Modell Meran" , das heute im Stadtmuseum Meran besichtigt werden kann. Bei der letzten Erfindung, dem "Modell Wien 1869" handelt es sich bereits um eine voll gebrauchsfähige Schreibmaschine, deren Typen als Lettern gegossen sind. Die 82 Tasten weisen Groß- und Kleinbuchstaben, Ziffern und einige Sonderzeichen auf. Überzeugt von seiner Erfindung, nahm Mitterhofer um 1870 erneut den beschwerlichen Fußmarsch nach Wien auf sich, um am kaiserlichen Hof um finanzielle Unterstützung für eine fabrikmäßige Erzeugung seiner Erfindung anzusuchen. Aufgrund eines Gutachtens wurde die Schreibmaschine mit 150 Gulden abgefunden und in die Sammlung des Polytechnischen Institutes (heute Technische Universität) in Wien aufgenommen. Nach der neuerlichen Enttäuschung verlor Mitterhofer das Interesse an einer weiteren Entwicklung oder Vermarktung seiner Erfindung.

Peter Mitterhofer did not give up. He developed two further models, first the 'Modell Meran' , made of metal, which can be visited today in the city museum Meran. The last invention, the "Model Vienna 1869", is already a fully usable typewriter whose types were cast as letters. The 82 keys have upper and lower case letters, numbers and some special characters. Convinced of his invention, Mitterhofer took on the arduous march to Vienna again around 1870 to apply to the imperial court for financial support for a factory production of his invention. On the basis of an expert opinion, the typewriter was compensated with 150 guilders and included in the collection of the Polytechnic Institute (today Technical University) in Vienna. After the recent disappointment again, Mitterhofer lost interest in further developing or marketing his invention.

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Sholes-Glidden: Typewriter, 1874 (TMW)

Mitterhofer war nicht der Erste, der in den 1860er Jahren intensiv an der Entwicklung eines mechanischen Schreibapparates arbeitete. 1868 wurde in den USA der von Christopher Sholes, Carlos Glidden und Samuel W. Soulé konstruierte "typewriter" zum Patent angemeldet. Sechs Jahre später wurde das Patent vom Waffen- und Nähmaschinen-Produzenten E. Remington & Sons kommerziell verwertet. Mitterhofer erlebte den Siegeszug der Schreibmaschine noch mit. Er verstarb im August 1893.

Mitterhofer was not the first to work intensively on the development of a mechanical writing apparatus in the 1860s. In 1868 the "typewriter" designed by Christopher Sholes, Carlos Glidden and Samuel W. Soulé was patented in the USA. Six years later, the patent was commercially exploited by the weapons and sewing machine manufacturer E. Remington & Sons. Peter Mitterhofer still witnessed the triumph of the typewriter. He died in August 1893.


Die Fotos vom "Modell Wien 1864 " wurden von mir im Technischen Museum Wien aufgenommen.

The photos of the 'Modell Wien 1864' were taken by me in the Technischen Museum Wien.



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21 comments
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Die Schreibmaschine, der größte Exportschlager Südtirols bis Reinhold Messner ;-)

Die Geschichte ist wohl für 99% neu. Vielen Dank für den schön geschriebenen Beitrag.
Ist schon verrückt, wenn man sich die Entwicklungen der letzten 150 Jahre anschaut. Seit dem 18. Jhd geht es Schlag auf Schlag.

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Die Geschichte ist wohl für 99% neu.
Da kannst du recht haben. Ich bin auch erst durch das ausgestellte Exemplar im Museum darauf aufmerksam geworden. Wir denken ja eher selten darüber nach, wem wir so manche Errungenschaft, die für uns heute selbstverständlich ist, zu verdanken haben.

Der technische Fortschritt seit Beginn der industriellen Revolution in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts und die damit verbundenen gesellschaftlichen Auswirkungen waren epochal. Es bleibt spannend, was die Zukunft uns in dieser Hinsicht bringen wird.

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Danke don-thomas & steem-bootcamp! :)

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Wahnsinn dass die genialsten Erfinder meist nie zu Lebzeiten für Ihre Erfindung, Ruhm, Anerkennung und Geld bekommen, sondern die Menschen oft erst nach dem Tod des Erfinders, Musikers .... Die Genialität und Wichtigkeit der Erfindung erkennen.

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Mitterhofer erlitt ein klassisches Erfinderschicksal: Zu Lebzeiten verkannt, nach dem Tode gewürdigt, in seinem Fall mit einem eigenen Museum im Südiroler Heimatdorf.

Der Durchbruch von Erfindungen, die der Zeit voraus sind, ist häufig bereits im Vorhinein zum Scheitern verurteilt. Aber vielleicht wäre die Geschichte anders ausgegangen, wenn seine bahnbrechende Erfindung nicht von Bürokraten, sondern von Technikern begutachtet worden wäre.

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@florian-glechner, ich glaube, Ruhm und Anerkennung (jedenfalls zu viel davon) versauen den Charakter. Es sind ja meistens Idealisten, die an solchen Erfindungen ein Leben lang getüftelt haben. Eben solche Idealisten gibt es heute so gut wie gar nicht mehr. Schade.

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Hab Dank für den sehr interessanten Beitrag!Wieder was dazu gelernt.

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Hammer-Beitrag! Kann man die Fotos auch in höherer Auflösung bekommen, vor allem von den aus Holz gefertigten Maschinen?

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Vielen Dank! Gerne lade ich die Fotos mit einer höheren Auflösung hoch:

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Liebe Anna,

dein Artikel war für mich sehr interessant. Auch die Fotos, die dir wieder gut gelungen sind.

Was mir sofort auffiel: Man baut Sachen meistens aus dem Werkstoff, den man mag, oder für dessen Bearbeitung man die Werkzeuge und die Möglichkeiten hat.

Da ich früher kein Schweißgerät besaß, habe ich Stative für Fotoleuchten aus Sperrholzplatten (Rückwände von alten Kommoden vom Sperrmüll) in nahezu liebevoller Laubsägearbeit gebaut ;-)

Liebe Grüße, @double-u

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Lieber Werner,

danke, ich freue mich sehr über deine nette Rückmeldung.

Recycling verbunden mit eigener Handarbeit - deine selbst gebauten Stative waren bestimmt etwas Besonderes! Holz ist ein schöner und sehr vielseitig einsetzbarer Werkstoff. Ich hätte im Schulunterricht lieber Werken als Handarbeiten gehabt. Gegen die schönen Laubsägearbeiten meiner Brüder hatten meine gehäkelten Topflappen keine Chance. ;-)

Liebe Grüße nach Hanau,
Anna

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Es ist immer sehr faszienierend zu sehen, wie Menschen solche geniale Idee ausgedacht haben. Aus einfachen Materialien können sie nutzliche Sachen für die Menschheit herstellen.
Meisten Erfinder hatten damals nicht mal eine hohe Bildung.

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Viele Erfindungen verdanken wir Handwerkern. Sie sehen die Probleme des Alltags und versuchen sie zu lösen. Beispielsweise war Joseph Madersperger, der Erfinder der Nähmaschine, ein gelernter Schneider. Ich habe großen Respekt vor dem Erfindergeist und Einfallsreichtum von Menschen, die mit ihren innovativen Ideen Neuland betreten.

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