Synthetisches Elfenbein

Liebe Hiver,
seit Tausenden von Jahren wird Elfenbein, das Material der Stoßzähne von Elefanten, sehr geschätzt, mitunter fast wie Gold. Im Kolonialzeitalter wurden bis zu 80000 Elefanten pro Jahr dafür getötet (1) und deren Bestand stark dezimiert, um daraus im industriellen Maßstab alles mögliche damit herzustellen - Griffe aller Art, Gefäße, Schmuck, Knöpfe, Spielwürfel, Schachfiguren, Dominosteine, Billardkugeln - und auch Klaviertasten. Auch die Eckzähne von Walrossen und Flusspferde wurden verarbeitet und die Tiere dafür gejagt (z.B. sind die Flusspferde am Nil (="Nilpferde") schon lange komplett ausgerottet).
Heute findet traurigerweise eine zweite Dezimierungswelle der Elefanten statt durch steigende Nachfrage aus dem Souvenierhandel und weil sich heutzutage immer mehr Menschen (vor allem aus Asien) Dinge aus Elfenbein leisten können und wollen. Elfenbein als Statussymbol, obwohl es für den praktischen Gebrauch (fast) keinen Bedarf gibt durch den Einsatz von preiswerten Kunststoffen. Der Schwarzmarktpreis für echtes Elefanten-Elfenbein wurde 2013 mit 2200€/kg angegeben. Der legale Handel wurde 1989 verboten (2). Dadurch blühte übrigens der Handel mit Mammut-Elfenbein wieder auf! Russland exportiert ca. 60 Tonnen sibirisches Mammut-Elfenbein pro Jahr (dessen Handel nicht eingeschränkt ist, denn die Tiere sind ja schon ausgestorben).

Klaviertasten aus Elfenbein

Kunststoffe sind wie so oft (z.B. Seide oder Ambra) kein hundertprozentiger Ersatz für das Naturprodukt. Zum Anschauen, Zuknöpfen, Würfeln, Schachspielen und bei vielen anderen Einsatzmöglichkeiten ist die Plastikversion vollkommen ausreichend. Aber in der professionellen Musik, gerade beim hochkompetitiven Klavierspiel kommt es auf feinsten Nuancen an! In Klavieren schätzen Pianisten an Tasten aus Elfenbein das besondere, weniger glatte und dafür wärmere Gefühl und dass die Tasten Feuchtigkeit aufnehmen und sie daher bei längerem Spiel nicht entweder "rutschen" oder "kleben". Da derzeit keine Klaviere mit Elfenbeintasten mehr hergestellt werden (nur Klaviere mit Elfenbeintasten vor dem Baujahr 1947 dürfen legal gehandelt werden), besteht eine große Nachfrage nach synthetischem Elfenbein, das all diese erwünschten Eigenschaften hat. Es geht übrigens nur um die (ca. 1mm dicken) Beschläge an den weißen Tasten, die schwarzen Tasten wurden traditionell aus Ebenholz gefertigt.

image.png
Klavier mit Elfenbeintasten Quelle

Die "Stuttgarter Methode"

Dieter Fischer und sein Team vom Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart haben (nach einer Exkursion in eine Klaviermanufaktur) es versucht und ihnen ist geglückt, was vielen Kunststoffproduzenten seit Ende des 19.Jhd. nicht gelungen ist - die Herstellung von synthetischem Elfenbein, das diesen Namen auch verdient (3).
Die verblüffend einfach Methode ist, eine Suspension von Hydroxylapatit-Teilchen in gelöster Gelatine (aus Kollagen) zu erzeugen, wobei sich dann durch Eindicken der Lösung die Hydroxylapatit-Teilchen allmählich in die Kollagenmatrix einlagern, im Prinzip ganz analog der Entstehung von echtem Elfenbein.

image.png
Herstellungsprozeß des synthetischen Elfenbeins Quelle

Die Endbearbeitung der Rohlinge und Bewertung der Prototypen erfolgte dann durch den Klavierbauer Sauter. Das Ergebnis überzeugte auch professionelle Klavierspieler. Das Verfahren wurde Ende 2019 publiziert (4).

Eine große Zukunft?

Das Biokomposit (das übrigens auch biodegradable ist und erst bei 1000 Grad Celsius zu brennen beginnt) wird von einem Startup-Unternehmen namens Ivortec, bei dem die Max-Planck-Gesellschaft beteiligt ist, vermarktet. David Butcher (5), der CEO von Ivortec, denkt weit über den Bereich von Klaviertasten hinaus. Er arbeitet derzeit an Kooperationen mit Möbelherstellern und Yachtbauern, das Material (das offenbar noch keinen einprägsamen Namen hat!) als dekorativen Feuerschutz, der ohne fossilen Rohstoffe hergestellt und biologisch abbaubar ist, zu verwenden. Wenn es gelingt, wäre es eine echte Erfolgsstory made in Germany.

Quellen:
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Elfenbein#Elfenbein_vom_Elefanten
(2) https://www.dw.com/de/der-elfenbeinhandel-auch-25-jahre-nach-dem-weltweiten-verbot-befeuert-er-die-wilderei/a-19034936#:~:text=Der%20internationale%20Elfenbeinhandel%20wurde%201989,gesamte%20Art%20in%20Gefahr%20bringen.
(3) https://www.mpg.de/14661670/W006_Material-Technik_072-077.pdf
(4) https://www.mdpi.com/2071-1050/11/23/6538/htm
(5) https://www.linkedin.com/in/david-butcher-cleantech-material-technology/?originalSubdomain=de



0
0
0.000
14 comments
avatar

Du hast ein Upvote von mir bekommen, diese soll die Deutsche Community unterstützen. Wenn du mich unterstützten möchtest, dann sende mir eine Delegation. Egal wie klein die Unterstützung ist, Du hilfst damit der Community. DANKE!

0
0
0.000
avatar

Ein sehr interessanter Artikel, deinerseits.

Es ist halt die ewige Unweitsichtigkeit, wie man bisher vorangegangen ist, in dem Beispiel dieses Themas, oder auch, das von mir ebso gerne gelesene Ambra Wal-Schiss Thema von dir.

Gut, dass sich diese Entwicklung anschließend als Förderlich für eben solche künstlichen Methoden erweist. Allerdings, behaupte ich mal, wird damit dann auch erst mal viel Schindluder betrieben werden.

Mein erster Gedanken war: Die (wer auch immer es macht, machen wird es jemand^^) kopieren dann für die Asiaten und Co. das Elfenbein und verkaufen es als Echt. Was den Schwarzmarkt heftig durchwässern dürfte und sicher auch einiges an Leid, für Mensch und Tier mit sich bringt.

Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt.

Liebe Grüße
Sascha

0
0
0.000
avatar

Dieses Biokomposit hat zwar viele Eigenschaften von Elfenbein, aber nicht die Form von Stoßzähnen. Für den Schwarzmarkt sehe ich nicht so große Auswirkungen - leider, aber wer weiß?

0
0
0.000
avatar

Achso, ich dachte man könnte es so Formen/Zuschneiden/Bearbeiten, wie man es braucht.

0
0
0.000
avatar

Sicherlich ließe sich auch die Form von Stoßzähnen, oder Teilen davon, nachahmen. Andere Faktoren wären aber nicht so leicht zu kopieren. Wie zB. die "Schregerschen Linien" die in echtem Elfenbein durch das jährliche Wachstum entstehen. Auch die Feuerfestigkeit ist bei richtigem Elfenbein nicht so hoch.
Dennoch wird es sicher jemand geben, der versucht, damit Chinesen oder andere Schwarzhändler zu bescheißen. Diese haben jedoch den Ruf, in dieser Beziehung recht humorlos zu sein. Das wird dann sicher bald unbürokratisch geregelt.

0
0
0.000
avatar

Congratulations @stayoutoftherz! You have completed the following achievement on the Hive blockchain and have been rewarded with new badge(s) :

You got more than 8250 replies. Your next target is to reach 8500 replies.

You can view your badges on your board And compare to others on the Ranking
If you no longer want to receive notifications, reply to this comment with the word STOP

To support your work, I also upvoted your post!

0
0
0.000
avatar

Das wäre doch die Zukunft synthetisches elfenbein echt gut.

LG Michael

!invest_vote
!jeenger

0
0
0.000
avatar

Your contribution was curated manually by @mima2606
Keep up the good work!

0
0
0.000
avatar

Da gibt es Alternativen und trotzdem werden die Elefanten abgeschlachtet und sind dadurch vor dem Aussterben bedroht. Das ist eine Schande und so traurig.:(

0
0
0.000