Intelligenz in vitro: Gehirnzellen können lernen, Pong zu spielen!

Liebe Neuronenbesitzer,

Forscher aus Australien haben nachgewiesen, dass isolierte menschliche Gehirnzellen (Neuronen) in einer Zellkultur das Videospiel "Pong" lernen können, wie hier zu sehen. Der Balken wurde durch eine Gruppe von Neuronen gesteuert!


Quelle ©Kagan et. al / Neuron

Im Vergleich hatten menschliche Neuronen auch besser abgeschnitten als solche aus Mäusen.
Damit ist erstmals nachgewiesen, dass sogar einzelnen Zellen eine Art "Intelligenz" besitzen und dass menschliche Neuronen in dieser Eigenschaft Mäuseneuronen auch auf Zell-Ebene überlegen sind, nicht nur im Verband von Nervensystemstrukturen.

Der Versuchsaufbau dafür war reichlich kompliziert: Zuerst wurden die Neuronen aus embryonalen Stammzellen induziert und man liess sie dann auf einem Mikroelektroden-Array, Dishbrain genannt, anwachsen. Dieses Array kann das Feuern der einzelnen Neuronen registrieren und auch selbst Signale setzen.
neuronenpong2g.jpg
Quelle ©Cortical Labs

Um das Spiel Pong zu simulieren, wurden im Array an entsprechenden Orten elektrische Reize gesetzt, die der aktuelle Position des Balls entsprachen. Die Neuronen wurden dann "trainiert". Feuerte eins zufällig an der richtigen Stelle des Systems (dort wo der Balken gerade sein sollte), wurde das Dishbrain "belohnt" durch ein einheitliches kurzes Signal, war der Balken aber an der falschen Stelle (die Neuronen feuerten an anderer Stelle), wurden sie "bestraft" durch ein längeres, erratisches Signal in zufälliger Verteilung. Dabei ging man davon aus, dass jedes selbstorganisierende System die Ordnung maximieren und Chaos vermeiden will, denn Vorhersehbarkeit senkt den Energieverbrauch und erhöht die Überlebenswahrscheinlichkeit.
Und es hat funktioniert. Zellkulturen mit anderen Zellen (also keine Gehirnzellen) zeigten dagegen keinen Lernfortschritt.

Ich finde das Ergebnis ziemlich bemerkenswert, würde aber noch abwarten, irgendwelche Schlüsse daraus zu ziehen. Wer den Wissenschaftsbetrieb kennt, weiß, unter welchem Erfolgs- und Publikationsdruck Wissenschaftler sind (sofern sie nicht gerade von Bill Gates und Co. gepuscht werden) und gerade bei einem derart komplexen Experiment sollte man erst mal abwarten, ob sich das auch reproduzieren lässt.

Findest Du es gruselig, Gehirnzellen zu züchten und dann zu belohnen oder zu bestrafen? Dann lies bitte nicht diese in nature publizierte Arbeit, bei der Forscher menschliche Mini-Gehirnorganoide in neugeborene Ratten transplantierten und somit Ratten großzogen, die ein Mensch/Ratte Hybridgehirn besassen. Ob diese Gehirne auch ein hybriges Mensch/Ratte-Bewußtsein entwickelten, möchte ich mir gar nicht ausmalen. Hier stösst man schnell an ethische Grenzen. Das "ethics statement" im paper ist jedenfalls zu dünn, denn die Forscher mögen durchaus alle Gehirnzellenspender, Ethikbehörden und Tierschützerorganisationen um Erlaubnis gefragt haben für diesen frankensteinesken Versuch, aber niemand kann denjenigen fragen, der eventuell in einem Rattenkörper sein Bewußtsein erlangt...

Rattengehirn mit menschlichem Anteil (hell).
hirntransplantg.jpg
Quelle ©Stanford UNiverity

Quellen:
https://www.scinexx.de/news/biowissen/neuronen-zellkultur-lernt-pong/
https://www.cell.com/neuron/fulltext/S0896-6273(22)00806-6
https://www.scinexx.de/news/medizin/menschliche-hirnzellen-in-rattengehirne-integriert/



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13 comments
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Puh, am schlimmsten finde ich, dass dieses Ding das Pong wohl besser drauf hat wie ich. !LOL
Im Ernst. Ethisch für mich ein No Go, aber man wird es nicht verhindern können. Leider.

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Das Spiel mit dem Feuer.
Wenn man bedenkt dass solche Dinge "nur" die sind die öffentlich bekannt gemacht werden, will gar nicht wissen woran insgeheim noch geforscht wird.
Immerhin. Es heißt ja Ratten würden Atomangriffe überleben? Also ein Weg um das menschliche Bewusstsein zu retten?
Ah Wahnsinn.

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Ich begebe mich in den unterentwickelten Bereich meiner menschlichen Denkfähigkeit und weiß lediglich, ohne kostspielige Forschungsaufträge in Auftrag gegeben zu haben, dass Mäuse das Angehen im Hinblick auf Überleben bei Weitem besser angehen als ich.
Ich sehe mich lediglich als ein manipulierbares Produkt jeglicher Form von Obrigkeit, der ich ordnungsgemäß Folge leiste. So blöd sind die Mäuse nicht!

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Das ist sehr beeindruckend und wird hoffentlich langfristig zum besseren Verständnis des Gehirns und was überhaupt Intelligenz und Bewusstsein ist, beitragen. Ich gehe stark davon aus, dass das Bewusstsein eine Konsequenz der Gehirnstrukturen ist und nicht auf übernatürliche Kräfte beruht.

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Weshalb soll der Mensch ein besseres Verständnis für sein Gehirn erlangen?
Was verstünde er dann besser?

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Klingt wie aus Frankensteins Labor. Aber beeindruckend is das schon.

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menschliche Mini-Gehirnorganoide in neugeborene Ratten transplantiert

Joo, und ein paar von denen sind dann ausgebüchst und bilden jetzt bei uns die Bundesregierung. Nur, dass sie das Pong-Spielen schon wieder verlernt haben und jetzt versuchen, das ganz große Hamsterrad zu drehen. Gruselig, einfach gruselig.

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Zuerst wurden die Neuronen aus embryonalen Stammzellen induziert und man liess sie dann auf einem Mikroelektroden-Array, Dishbrain genannt, anwachsen.

Der Versuchsaufbau ähnelt neuronalen Netzwerken wie sie vor einigen Jahren für neuronale Chipkonstrukte bereits erprobt wurden.

Insofern überrascht mich das Ergebnis nicht.

Der darin zum Ausdruck kommende Transhumsnismus bereitet mir schon eher Schwierigkeiten.

Man Stelle sich vor Ratten würden durch solche Experimente eines Tages menschliche Fähigkeiten erlangen...

Der Bruch mit der Artenbarriere ist insofern ein No Go.

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Es sind Zellen von Kindern. Dass sie es machen ist das eine aber von "Consent" zu sprechen weicht irgendwie die Definition der Zustimmung auf.

aber ist das wirklich intelligent wenn ein System eine hamiltonsche Dynamik aufweist und Unsicherheit minimiert. Es ist einfach derart geschaffen dies zu tun, so wie ein Reifen den Berg hinunter rollt. So wie es spezialisierte ICs gibt (CPUs, GPUs, ASICs) gibt es spezialisierte Schaltkreise im Hirn. Das wirklich neue ist m.M.n. die Grenzüberschreitung und nicht die Erkenntnis. Der Part wie man einen solchen Computer reproduziert ist in der Studie der Fokus. Gibt mir Transhumanismus-/ Klaus Schwab Vibes. Super spannend ist es natürlich und darum wird Posthumanismus auch Realität.

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Ja, so ist der Mensch gestrickt. Gibt es eine Grenze, überschreitet er sie.

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