Im Obergurgler Zirbenwald

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Liebe Naturfreunde,

in der Nähe von Obergurgl im Tiroler Ötztal, auf ca. 2000m Seehöhe, gibt es einen rund 20ha großen Zirbenwald, der seit 1963 als Naturdenkmal ausgewiesen ist. Denn ein geschlossener Bestand dieser Art, mit teils über 300 Jahren alten Zirben, ist heutzutage eine Seltenheit. Die wirtschaftliche Nutzung (Schibetrieb, Weide- und Holzwirtschaft) führte zu einem systematischen Rückgang der Bestände, aber auch Katastrophen tragen ihren Anteil dazu bei. Um 1880 hätte ein Waldbrand dieses Kleinod fast vernichtet.

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Die Zirbe

Die Zirbe (Pinus cembra), auch Zirbelkiefer genannt, kommt vor allem in den Alpen und Karpaten vor, ab 1500m Seehöhe, vereinzelt kann sie bis auf 2500m noch vorkommen. Sie ist ein erstaunlicher Baum, zwar nur sehr langsam wachsend (und daher in tieferen Lagen nicht konkurrenzfähig zu anderen Bäumen), aber der frosthärteste der Alpen und an extremste Witterungen angepasst. So kann sie Temperaturen bis unter -40°C unbeschadet überstehen und ab -5°C wächst sie sogar! Sie ist auch sehr widerstandsfähig gegen Schneelast und Lawinen und auch einigermaßen resistent gegenüber Ozon.
Sie kann bis zu 1000 Jahre alt werden (unter den heimischen Arten können nur Eiben und Eichen noch älter werden). Hier ein sicher sehr altes Exemplar.
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Nadeln, nach einem Regen.
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Der Tannenhäher ist maßgeblich beteiligt an der Verbreitung der Zirben. Pro Jahr sammelt ein Tannenhäher bis zu 100.000 Samen der Zirbenzapfen und legt Verstecke im Boden für diese an, auf die er dann zum Teil vergisst (sog. Versteckausbreitung).

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Nein, das ist kein Tannenhäher, sondern ein Eichhörnchen, die es hier auch gibt. Die tragen auch zur Verbreitung bei - innerhalb des Waldes. Nur der Tannenhäher aber kann einzelne Samen weit forttragen, sodass einzelnstehende Zirben auch noch weit oberhalb der Baumgrenze (die bei ca. 2000m ist) zu finden sind.

Zirbenholz

Das Zirbenholz ist ein sehr leichtes Holz und entsprechend leicht zu verarbeiten und schnitzen. Trotzdem ist es formstabil und ausdauernd. Daher sind in Österreich (speziell in Tirol) viele Möbel aus Zirbenholz. Durch das ätherische Öl Pinosylvin, das in Zirbenholz reichlich vorkommt, hat das Holz einen charakteristischen, wohltuenden Duft, der einzigartig ist (mehr über den Zirbenduft hier). Es gibt eine Studie der Joanneum Research Graz, dass die Herzfrequenz in einem Bett aus Zirbenholz niedriger und die Schlafqualität besser ist als bei anderen Betten (die Studie wird aber wegen ihrer Methodik und ihrer fehlenden Unabhängigkeit zum Teil zu recht bemängelt). Viele Gender-Studien sind aber noch weit mangelhafter, das nur am Rande. Pinosylvin sorgt aber auch dafür, dass Schimmelbildung unterdrückt wird und daher werden z.B. auch Brotdosen gern aus Zirbenholz gemacht. Eine Kultivierung gelingt wegen der Anfälligkeit für Wildverbiß und des langsamen Wachstums kaum. Entsprechend hat sich wegen der gestiegenen Nachfrage der Preis für Zirbenholz in den letzten Jahren verdreifacht.

Hier ein Detail der Borke mit Löchern, die ich an vielen, aber nicht allen Exemplaren gesehen habe (Fraßgänge von Insekten?).
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Oft sind die unteren Zweige extrem mit Flechten bewachsen.
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Detail:
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Typisch ist, dass die Zirben scheinbar auf Felsen wurzeln. Von den sichtbaren verzweigten Seitenwurzeln gehen dann sog. Senkerwurzeln tief in Felsspalten hinein, die die eigentliche Verankerung bilden.
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Zirben halten wie gesagt sehr viel aus. Diese hatte, vermutlich durch einen Blitzschlag, einen großen Teil des Stammes verloren, ein Seitentrieb hat sich darauf einfach zum neuen Haupttrieb entwickelt.
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Ein schöner, ca. 2km langer Erlebnisweg führt auf wurzelübersähten Wegen durch den Wald.
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Natürlich ist der Wald auch Lebensraum für viele andere Lebewesen. Auch die dekorative Spinnwebhauswurz (Sempervivum arachnoideum) kommt hier vor. Diese sukkulente Pflanze wächst nur sehr langsam, kann aber direkt auf Felsen gedeihen.
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Mehr über die bunte Pflanzenwelt im Ötztal demnächst...

Zurück nach Wien hab ich als Andenken zumindest ein Fläschchen Zirbenöl (gibt es auch online!) mitgebracht. Wenige Tropfen davon reichen, um einen wunderbaren Duft herbeizuzaubern, als ob man mitten zwischen den Zirben stehen würde...

Quellen:
https://www.naturpark-oetztal.at/der-naturpark/schutzgebiete/obergurgler-zirbenwald/
https://de.wikipedia.org/wiki/Zirbelkiefer

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All pics by @stayoutoftherz

Post zum Thema:
Der Wald und der Mensch



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11 comments
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Wunderbarer Post! Ich habe im Wohnzimmer eine Schale aus Zirbenholz mit Zirbenspänen stehen. Der Geruch ist ein Traum 😊👍

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Bei Obergurgler hatte ich kurz ein Jucken im Hals.
Schöne Pics, gute Beschreibung.

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Eine sehr sehr gute Beschreibung und ein guter Post! Ich habe wieder viel gelernt und wusste nicht dass es noch Bäume gibt die so alt werden,außer Eichen und Eiben.

LG Michael

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!jeenger

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Hallo
Super Bilder, super Artikel. Ich bin auch ein Fan der Zirpen. Auch ich hab ein Schlafzimmer aus Zirpen Holz. Kann ich jedem nur empfehlen. Seitdem ich das habe, schläft man einfach noch besser. Zumindest ist das meine Wahrnehmung.

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Danke. Super, dass Du so ein Teil hast.
Man sieht, dass Du insektenaffin bist, da Du "zirpen" schreibst. Obwohl, Bienen summen doch eher 😂.

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Oh je, manchmal sollte man die Diktierfunktion noch mal korrigieren.😂

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