Pilzfestspiele
Liebe Leser,
letzte Woche gab es in Wien eine Veranstaltung, die sich ganz den Pilzen gewidmet hat - die "Pilzfestspiele".
https://www.pilzfestspiele.at/
Da gab es Fotoausstellungen, Vorträge, Workshops, Pilzwanderungen und Vieles mehr rund um die Mykologie. Es gab auch einen "Funga-Markt", bei dem man sich mit vor allem Vitalpilzprodukten eindecken konnte, hier links eine Shitake- und rechts eine Reishipilzkultur.
Der Markt war aber stark kommerziell ausgerichtet (logisch natürlich), und da werde ich automatisch skeptisch, da ich glaube, dass 99% des riesigen Marktes an Nahrungsergänzungsmittln Scharlatanerie sind. Was meint Ihr? Nehmt Ihr regelmäßig (oder ab und zu) Vitalpilze ein?
Leider waren ein paar Wochen davor (als ich davon erfuhr) schon die meisten Kurse/Events ausgebucht, obwohl die Preise recht ordentlich waren (z.B. hatte der 7stündige Kurs "DNA-Barcoding von Pilzen" an die 300€ gekostet😟).
Ich konnte gerade noch einen Kurs buchen "Die geheimnisvolle Welt der Pilze – und ihre Bedeutung für das Ökosystem", das war ein rund zweistündiger Vortrag und am Nachmittag gab es eine Pilzwanderung im Wienerwald mit vielen Tipps zum Sammeln und Bestimmen von Pilzen.
Der Vortrag im botanischen Institut der Uni Wien bzw. "Department für Botanik und Biodiversitätsforschung", wie es jetzt hochtrabend heißt, drehte sich neben den Basics vor allem um die Interaktion der Pilze mit Pflanzen, also die vielfältigen Formen der Mykorrhiza! Aber eines nach dem anderen.
Pilze - basic facts
- Die Pilze (Fungi) sind ein eigenes Reich innerhalb der Lebewesen, neben den Tieren und Pflanzen, wobei sie den Tieren sogar näher sind als den Pflanzen (genetisch ähnlicher, sie betreiben wie die Tiere keine Photosynthese (sind also heterotroph) und haben eine Chitin-Zellwand statt einer aus Zellulose).
- Pilze machen 20-30% der gesamten Biomasse der Erde aus (wobei manche Quellen 5% sagen, andere 40%).
- Nur 3 bis 8% aller Pilzarten sind bekannt (bei Pflanzen sind es ca. 80%, bei Tieren 25%), d.h. man nimmt an, dass 2-3 Mio. Pilzarten existieren und nur ein Achzehntel davon beschrieben ist (Quelle). Das Problem (wie auch die große Ungenauigkeit bei der Angabe des vorigen Punktes): Pilze leben unter der Erde, im Unsichtbaren, nur ab und zu bilden sie Fruchtkörper für die Vermehrung aus (im Prinzip Sporenbehälter mit Regenschutz), was für Laien die Pilze schlechthin sind, aber der eigentliche Pilzorganismus und die größte Masse ist in der Erde als Myzel (Hyphengeflecht) - ein Labyrinth aus Fäden und Röhren, das der Forschung nicht leicht zugänglich ist.
- Pilze ernähren sich im Prinzip auf 3 Weisen, von abgestorbenem organischen Material (saprotroph), über eine Symbiose mit Pflanzen oder parasitisch (auf Kosten lebender Pflanzen, Tiere oder anderer Pilze). Der Übergang zwischen Symbiose und Parasitismus ist allerdings fließend und es gibt unzählige Mischformen, wo einmal der eine "Partner", einmal der andere mehr Vorteile aus der Beziehung gewinnt. Viele scheinbare Symbionten sind Täuscher und Ausbeuter, aber noch keine oder nicht immer echte Parasiten.
- Pilze vermehren sich ungeschlechtlich (über z.B. Sporen oder Knospung) oder auch geschlechtlich (über haploide Sporen, die sie z.B. in den Lamellen unter dem Hut bilden und von dort verteilen). Die ungeschlechtliche Vermehrung ist schnell, führt aber zu keiner genetischen Variabilität (die Nachkommen sind Klone der Eltern), die geschlechtliche dauert länger, sichert aber das Überleben in wechselhaften Umweltbedingungen (durch die Rekombination des Genoms). Viele Pilze können beides und wählen den Modus entsprechend (asexuell bei günstigen Bedingungen, geschlechtlich bei Stress).
- Bedeutung für den Menschen / die Natur: Sie sind das Recyclingsystem der Erde (nur Pilze (und bestimmte Bakterien) können Lignin spalten und so Totholz zersetzen), tragen durch Symbiosen mit Pflanzen zur Nahrungsmittelsicherheit bei, und produzieren viele Vitamine und hochwirksame gesundheitsfördernde Substanzen, die in der Küche und Medizin (in China seit zweitausend Jahren) genutzt werden (z.B. Vitalpilze wie Shitake, Reishi und Schiefer Schillerporling ("Chaga"), siehe auch Penicillin)
Hier eine Übersicht über die verschiedenen ökologischen Nischen innerhalb des Waldes, die von Pilzen eingenommen werden, die zeigt, wie vielfältig das Funga-Reich ist:
Mykorrhiza
Eine der ökologisch wichtigsten Symbiosen überhaupt ist die zwischen einer Pflanze und einem Pilz, die erstmals vor ca. 500 Mio. Jahren aufgetreten ist. 90% aller Landpflanzen können diese Symbiose eingehen und es gibt ca. 6000 bekannte Pilzarten, die mykorrhiza-fähig sind.
Vorteile für die Pflanzen:
- Oberflächenvergrößerung der Wurzeloberfläche durch das Hyphengeflecht der Pilze und somit eine Vervielfachung der Aufnahmefähigkeit für Wasser und Nährstoffe, das macht die Pflanzen robuster gegen z.B. Trockenheit und schädlingsresistenter
- Gewinnung von Stickstoff, den die Pflanze nicht direkt aufnehmen kann
- Ähnlich ist es mit Phosphat, 70-80% der Phosphatversorgung von Pflanzen erfolgt durch Mykorhrhizapilze
- Mechanischer Schutz und Schutz vor Wurzelpathogenen (Bakterien) und parasitischen Pilzen, zB. durch Ausscheidung von Antibiotika durch den Symbiosepartner
- Toxische Metalle wie Cadmium und Quecksilber werden in der Zellwand von Pilzen gebunden, die Pflanzen können dadurch auch an belasteten Orten gedeihen
Vorteile für die Pilze:
- Sie erhalten von der Pflanze Zucker (meist Glucose) und andere Photosyntheseprodukte, die sie selbst nicht leicht herstellen könnten
- Die Pflanze versorgt sie auch mit Wachstumsstimulatoren (flüchtige Terpene) und Vitaminen wie Thiamin oder Nicotinsäure
- Stabiles Habitat im Wurzelbereich, besserer Schutz vor Umweltstress
- Die eigene Nährstoffversorgung wird gesteigert durch die Ausdehnung des Mycels, ermöglicht durch die Energiezufuhr durch die Symbiose
Es gibt verschiedene Arten von Mykorrhiza, hier eine Übersicht (die Abbildung zeigt schematisch einen Querschnitt durch eine Pflanzenfeinwurzel und wie/wo die Pilzhyphen wachsen):
ektotrophe- oder Ektomykorrhiza: In mitteleuropäischen Wäldern am weitesten verbreitet, meist zwischen Bäumen und Pilzen, ca. 2000 Pflanzenarten und 5000 Pilzarten gehen diese Art Symbiose ein, bei der das Hyphengeflecht einen (makroskopisch sichtbaren) Mantel um die Feinwurzeln der Pflanze bildet und zwischen den Rindenzellen wächst, aber nicht in die Zellen eindringt.
Endomykorrhiza: die älteste und weltweit häufigste Form. Wie der Name vermuten lässt, dringen hier die Pilzhypen in die Zellen der Pflanzenwurzeln ein, meist bei krautigen Pflanzen. Die Abgrenzung zur Ektomykorrhiza ist fließend. Eine Sonderform ist die vesikulär-arbuskuläre Mykorrhiza, bei der die Pilzhyphen in den Rindenzellen der Pflanze "Arbuskel" (bäumchenartige Strukturen) bildet, über die der Nährstoffaustausch stattfindet. Kommt bei 80% aller Blütenpflanzen vor und wird derzeit intensiv studiert, da man sich davon Ertragssteigerungen in der Landwitschaft erhofft (mit Chemie und Kunstdünger stößt man zunehmend an Grenzen).
Alle Orchideen (eine Familie mit 20.000 Arten!) entwickeln initial eine Endomykorrhiza (Orchideen-typ), d.h. sie brauchen zur Keimung einen Pilz und ernähren sich von ihm. Viele entwickeln später Chlorophyll, andere aber wie die Vogel-Nestwurz sind "vollschmarotzend" und parasitieren vom Pilz, der seine Nährstoffe wieder über eine andere Mykorrhiza erhält (oft Buchen).
Da die Mykorrhiza für den Wald und die Bäume so wichtig ist, weil es ihnen, gerade unter ökologischem Stress einen Überlebensvorteil bringt, gilt es, diese so weit wie möglich zu schützen!
- Bodenverdichtung vermeiden (keine LKWs, Harvester, etc.)
- Mischbestände statt Monokulturen
- Reduktion von Düngemitteln (zuviel Stickstoff schadet den Pilzen) und Fungiziden
- Schutz der Ökosysteme
- Forschung und Monitoring (man weiß immer noch viel zuwenig über diese Symbiose)
Mykorrhiza (meist ein getrocknetes Gemisch diverser Mykorrhizapilze) kann man sogar schon (z.B. hier) als natürliches Düngemittel kaufen, aber die wissenschaftlichen Daten zu den derzeigen kommerziellen Produkten sind eher ernüchternd. Auf nicht-sterilen Böden (also in jedem Garten oder Beet) waren die Ertragssteigerungen fast nicht messbar. Problem außerdem: mögliche invasive Effekte durch Eintrag nicht-standortgerechter Pilzarten. Ich würde noch abwarten mit dem Kauf von Mykorrhiza als Düngemittel. Hat jemand damit schon Erfahrungen?
So weit zur Theorie! Am Nachmittag ging es dann in den Wienerwald, an eine pilzreiche Stelle im Schwarzenbergpark. Hier auf dem Weg zum Pilzgebiet, an den zwei Obelisken vorbei (der Legende nach hat sich an dieser Stelle Maria Theresia eine Schaukel anbringen lassen) ging es dann links in den Wald hinein.
Die ca. 18 Exkursionsteilnehmer schwärmten aus und brachten der Kursleiterin, Romana Brandstätter von der öst. mykologischen Gesellschaft, ihre Funde (oder zeigten sie ihr), die dann in den allermeisten Fällen die Pilzart bestimmen konnte!
Was wir dabei so alles entdeckten, folgt in Teil 2...
Hier noch ein paar Tipps zum Sammeln, die Ihr vermutlich ohnehin schon kennt, aber eventuell ist doch etwas Neues dabei:
- nur frische Pilze sammeln, alte Pilze können Vergiftungen verursachen oder innen madig sein
- ob herausdrehen oder an der Basis abschneiden ist egal, aber das entstehende Loch sollte verschlossen werden (um das Eindringen von Pathogenen zu verringern), zum besseren Bestimmen jedenfalls den ganzen Stil mit der Stilbasis mitnehmen
- unbekannte Pilze, falls gesammelt (um sie bestimmen zu lassen), immer getrennt von den Speisepilzen aufbewahren (Safety first!)
- Geschmack, Verfärbungen und Fraßstellen sagen NICHTS über die Eßbarkeit aus
- Aufbewahren in luftdurchlässigem Behälter, Korb ist ideal, keinesfalls in einem Plastiksackerl (Tüte), da sich unter Luftabschluss die Zersetzungsprozesse beschleunigen
- Pilze sind eher wie Fleisch als Gemüse, daher kühl lagern und möglichst bald zubereiten
- keine zu großen Mengen essen und gut kauen
- Pilze nicht roh essen, viele Speisepilze sind roh giftig, mind. 10min. durcherhitzen
- Sammelbeschränkungen beachten und seltene Arten schonen!
Webtipps:
https://de.wikipedia.org/wiki/Pilze
https://myk.univie.ac.at/
https://www.pilze-deutschland.de/
https://www.123pilzsuche.de/
https://www.pilzfinder.de
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Fun Fact: es gibt sogar Pilze, die sich fortbewegen können! Und zwar zielstrebig, also zB. zu einer Nahrungsquelle hin.
Und Pilze sind auch selbst eine wichtige Nahrung für viele Lebewesen. Schau mal hier:
Meinst Du die Schleimpilze? Die sind aber keine Pilze, trotz des Namens! Werden kurz in Teil 2 erwähnt...
Waooo!! 😍👏 @stayoutoftherz how beautiful it must be to participate in a high-quality event like the Pilzfestspiele. So much information, photos, and stories about mushrooms that are unique among experts in this unique mushroom market.
These walks, exhibitions, and various participants in the field really help in learning about this biodiversity.
Here in my country, Cuba 🇨🇺, it's very difficult to find them because it's very hot. This one popped up in my garden a few days ago; they say it's poisonous.
Greetings and have a great start to the week, bro!! 😉🤝
Nice pic. I would indeed avoid eating it :), could be this one:
https://en.wikipedia.org/wiki/Chlorophyllum_molybdites
If it's that same one, @miosha told me!! 🤝
Vielen Dank für diese Zusammenfassung! Das letzte Mal hatte ich so richtig mit Pilzen in der Uni beschäftigt, aber das ist auch schon lange her. Insofern war dieser Auffrischungs-Artikel sehr willkommen.
Hier in Ecuador kommen Pilze erst in letzter Zeit in Mode. Als ich ankam, gab es höchtens mal Champignons. Auch die Kichwa essen kaum Pilze, wobei es hier bestimmt viele gibt. Irgendwo hatte ein Freund von mir dann Austernpilze aufgetrieben, dass war ein Highlight! Mittlerweile gibt es so ziemlich alles, und viele Leute haben sich darauf spezialisiert. Also bei den essbaren.
Was es hier viel gibt und schon immer gab, sind halluzinogene Pilze. Am Anfang der Regenzeit sprießen die dann vornehmlich in Kuh-Dung, den es hier auch zur Genüge gibt. Ein kleines Dorf 40km von hier, La Esperanza (de Ibarra), ist berühmt dafür, dass die Pilze dort richtig gut wachsen, und zieht jede Menge Trip-Touristen an. Ich bleibe aber lieber bei denen, die man ohne Nebenwirkungen kocht.
Increible. Excelentes fotos.
La segunda foto parece sacado de la serie The Last Of Us 😯