Auf der ARS Electronica 2025
Liebe Leser,
nach 2 Jahren war ich wieder einmal auf der ARS Electronica, Bericht von 2023 hier. Diesmal war das Thema "PANIC yes/no", also wie immer unspezifisch genug, um ein breites Angebot an Kunstobjekten auszustellen. 122000 Zuschauer waren gekommen laut Wrapup!
Dementsprechend war die Digital-Art-Ausstellung wieder riesig, ein Festivalpass zum Besuch aller Events über alle 4 Tage hätte 64€ gekostet - wir begnügten uns mit einem Tagespass, schon aus Zeitgründen.
Logo und Website:
https://ars.electronica.art/panic/de/
Wieder gab es in der "Postcity" und im Lentos Museum (wo die Preisträger zu sehen waren) ein Sammelsurium mehr oder weniger origineller Kunstprojekte und -installationen mit meist nicht nachvollziehbarem Bezug zum Thema. Hier ein paar Eindrücke:
„Requiem for an Exit“
Einer der Preisträger: Ein 4m großer Roboter, der im Prinzip nur aus einem "hyperrealistischen" Gesicht besteht, hält einen Monolog, in dem es um die Geschichte der Gewalt geht und dass diese wie in unsere DNA einprogrammiert erscheint, quasi eine Anklage an die Menschheit. Der Text wurde nicht mit AI verfasst, die AI wurde aber laut Programm "verwendet, um die Stimme des Roboters zu erzeugen, seinen unheimlichen Realismus zu potenzieren und die Paradoxien simulierter Empathie aufzudecken". Ein Beispiel für die kreativen Begleittexte, die oft origineller als die eigentlichen Kunstwerke sind. Ich nenne sie nur "Kunstsprech". Eine simulierte Sprache, die aus einer Aneinanderreihung beeindruckender, aber auch im Kontext vager und daher völlig belangloser Wörter, die den Leser ratlos zurücklässt, als sei er zu dumm, den Text zu verstehen, wo es in Wahrheit aber gar nichts zu verstehen gibt!
"Phonos"
Eine Klangskulptur aus 208 recycelten Lautsprechern, die keinen Schall erzeugen, aber in einem sich ständig ändernden Rhythmus klicken, quietschen und vibrieren, angeblich "am Verhalten von Tieren orientiert" - na ja. Zumindest optisch war das Ding schon beeindruckend.
"Dynamics of a dog on a leach"
Ein Roboterhund ist in dieser Installation an eine ca. 5m lange Leine gelegt und versucht auszubrechen, die Zuschauer bilden einen Halbkreis in sicherem Abstand. Es entsteht der Eindruck einer leidenden Kreatur durch das vergebliche Anrennen, Stolpern und sich Verhaspeln in der Leine - die spontanen (oder doch einprogrammierten?) Bewegungen wirken tatsächlich auf verstörende Weise lebensecht. In sozialen Medien haben angeblich Leute dem Künstler vorgeworfen, die Roboter zu "mißbrauchen". Die (von der EU geförderte!) Arbeit japanischer Künstler zeigt auf, wie Roboterbewegungen menschliche Empathie triggern können.
"tele-present wind (Mars wind version)"
In Zusammenarbeit mit dem NASA Jet Propulsion Laboratory wurden an 126 getrockneten Gräsern Kippvorrichtungen angebracht, die mit eingehenden Daten von Windsensoren des Preseverance-Rovers am Mars synchronisiert sind, sodass sich die Gräser wie im Marswind bewegen.
"XXX Machina"
Eine räumlich abgetrennte ("über 18J.") Multimedia-Installation, die "untersucht, wie Künstliche Intelligenz erotisches Begehren, Identität und Intimität ins Wanken bringt und neu formt und wie KI-Pornografie durch jederzeit verfügbare Befriedigung menschliches Begehren, Intimität und den Körper selbst verändert. Was auf den ersten Blick wie konventionelle pornographische Darstellungen erscheint, offenbart bei näherer Betrachtung verstörende Brüche und körperliche Unmöglichkeiten. Und das alles "unter Rückgriff auf die lacansche Psychoanalyse, poststrukturalistische Theorie und Georges Batailles Verständnis von Erotik"! Kunstsprech at it´s best!
Herrlich, wie hier einfache Pornographie künstlerisch erklärt und rationalisiert wird. Dass diese KI-Pornobilder es ins Lentos Museum geschafft haben, ist die eigentliche Leistung der "Künstler"!
"Mycogravity"
Der Begriff Microgravity bezeichnet die verringerte Schwerkraft im Weltraum. Ein Wortspiel damit kreieren, eine Pilzkultur an einem Roboterarm befestigen und in drei Achsen bewegen lassen - und schon ist die "Kunstinstallation" fertig. Fast, es fehlt noch der passende Kunstsprech:
"Die Arbeit erinnert uns daran, dass Anpassung in fremden Welten möglich ist, doch die Balance in unserer eigenen Welt zu bewahren, bleibt wahrscheinlich die größere Herausforderung..."
Hier noch ein Photodump ohne Kommentare:
Blick vom Lentos Museum auf die andere Seite der Donau, links das ARS-Electronica Center, das ganzjährig meist interessante und interaktive Dauerausstellungen zum Thema Digitalisierung anbietet.
Kunst betrachten (und darüber lästern) macht hungrig! Stärkung in einem chinesischen Restaurant in der Nähe.
Am gleichen Abend fand auch die jährliche Klangwolke in Linz statt (diesmal mit 1/3 weniger Budget als 2024 und ohne das traditionelle Feuerwerk - "nur" 950.000€). Da mit zehntausenden Besuchern gerechnet wurde, galt es, die besten Plätze am Donauufer rechtzeitig zu ergattern (der Eintritt war gratis); wir hatten Glück und vor der Bühne und leicht erhöht war noch etwas frei (später füllte sich dann alles komplett), sodass wir eine phantastische Sicht hatten!
Visuell war es ein grandioses Schauspiel!
Akustisch fand ich es nicht überzeugend, hier eine Aufzeichnung, wer sich einen Eindruck verschaffen will:
https://on.orf.at/video/14290592/visualisierte-linzer-klangwolke
Ein Kurztrip quer durch die ARS (2 min.):
Fazit:
Insgesamt wenig Innovatives, wenig Kreatives, die ARS Electronica spulte eine Art Routineprogramm ab. Die Zeiten, als die Ausstellung tatsächlich aktuelle gesellschaftliche Veränderungen oder wissenschaftliche Innovationen thematisierte, sind offenbar vorbei. Auch in der Kunst hat sich ein Einheitsbrei etabliert, der gängige Narrative auf keinen Fall in Frage stellt und nirgendwo anecken will und stattdessen auf visuelle oder akustische Effekte setzt. Aber wie gesagt, wir hatten nicht alles gesehen und eventuell haben wir gerade das Beste auch verpasst.
All pics by @stayoutoftherz
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I find all of this incredibly interesting, and I’m truly grateful you shared that video, it really rounded out the idea you were conveying. I believe art always has the mission to provoke reflection, and Ars Electronica Festival certainly achieved that.
Thank you!
Spannend, ich muss gestehen, dass ich vorher noch nie von der ARS Electronica gehört habe. Dein Bericht und die Fotos machen aber neugierig auch wenn dein Fazit eher kritisch ist.
Die Bilder wirken doch recht spektakulär. Was die Künstler uns sagen wollen, wird wohl nicht immer gleich klar! Für detaillierte Interpretationen müsste man sich wohl in jedes Werk einarbeiten, was bei der Menge an Objekten wohl schwer fallen wird. Bleibt also in erster Linie der Schauwert, der dann vielleicht in dem einen oder anderen Fall zu näherer Auseinandersetzung verführt.
Da hast Du recht, wir hatten ja nicht mal einen Tag Zeit, dafür war das Programm viel zu groß. Aber ist die Ausstellung nur für Leute von der Branche, die sich eine ganze Woche Zeit nehmen können? Wäre es nicht besser, statt 1000er mittelmäßiger Projekte nur die besten zu zeigen?
Die "Ars Electronica" ist angeblich einzigartig in der Welt (?) Linz will sich als Stadt der Kultur und des Fortschritts präsentieren.
Auch schon vor zehn Jahren war die Veranstalzung unübersichtlich. Für einen "deep dive" gäbe es ja noch Diskussionsveranstaltungen, Performances etc etc. Ich denke, wenn man in diesem Feld arbeitet/künstlerisch tätig ist, tut man sich etwas leichter. Die AE ist und bleibt auch irgendwie in dieser Form ein Nischenprogramm. Aber alles in allem : Gut, dass es diese Veranstaltung (so lang schon) gibt.
I have not been on here for a while and missed upvoting, but I am sharing this anyway - great report!
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